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Umgang mit negativen Gedanken: Ein Spiegelbild meines Wesens oder nur eine verzerrte Wahrnehmung?

Autorenbild: Alexander BravosAlexander Bravos

Sie sind immer da. Mal lauter, mal leiser. Mal positiv, häufig neutral oder rein informativ und circa zu einem Viertel negativ. Bis zu 60.000-70.000 Gedanken rasen täglich durch unsere Gehirnwindungen. Es ist also leicht anzunehmen, dass die Stimme in unserem Kopf unserer Persönlichkeit, gar unserem Wesen entspricht. Doch ist das wirklich so? Sind unsere Gedanken ein Spiegelbild unseres Wesens?

Eine Suggestivfrage, die zum Thema dieses Blogs leiten soll, ein klassisches stilistisches Mittel, um deine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Oder vielleicht doch eine Frage, der sich die meisten von uns im Laufe ihres Lebens nicht stellen, obwohl sie einen großen Einflussfaktor mentaler Dissbalance und Unzufriedenheit aufdeckt?

Der metaphorische Zaunpfahl winkt so schnell er kann in Richtung der Antwort auf diese Frage und somit auch auf das Thema dieses Blogartikels: Wir beleuchten, warum die Identifikation mit negativen Gedanken schädlich für unsere mentale Gesundheit ist, wie ein achtsamer und bewusster Umgang mit unseren Gedanken sowohl psychische als auch körperliche Gesundheitsvorteile bietet und welche Rolle ein Schimpanse dabei spielt.




Frau nachdenklich
Unsere Gedanken begleiten uns ständig, und ein Viertel der tausenden täglichen Gedanken ist dabei negativ. Einen Umgang mit negativen Gedanken zu finden, ist ein großer Schritt zu einer besseren mentalen Gesundheit.


Was sind Gedanken überhaupt?

Zunächst aber erstmal zurück zu den Basics. Was sind unsere Gedanken überhaupt?Unsere Gedanken sind elektrische Impulse. Sie entstehen, rasen durch unser neuronales Netzwerk und verschwinden wieder. In Bruchteilen von Sekunden feuern Milliarden von Neuronen, setzen Botenstoffe frei und erzeugen damit das, was wir als Denken bezeichnen. Ein flüchtiges Konstrukt, ein ständiger Strom aus Erinnerungen, Bewertungen und Erwartungen. Und doch glauben wir oft, dass unsere Gedanken die ultimative Wahrheit sind. Dass das, was in unserem Kopf auftaucht, eine objektive Realität abbildet.

Ein Gegenvorschlag, den ich dir hier gerne unterbreiten würde, sieht in unseren Gedanken jedoch vielmehr das Produkt eines hyperaktiven, interpretierenden Gehirns, das Sinn in das Chaos aus tausenden von gleichzeitig wirkenden Eindrücken bringen will – und dabei nicht immer richtig liegt.

Um genau und fair zu sein, kann hier jedoch nicht das gesamte Gehirn ins Verhör genommen werden. Vielmehr handelt es sich um einen Teil unseres faszinierenden Denkorgans, dass uns regelmäßig ein Schnippchen schlägt. Und hier kommt der Schimpanse ins Spiel.


Die Herkunft negativer und irrationaler Gedanken

Unser Gehirn entsteht aus verschiedenen Arealen, die sich aus einer Vielzahl von Strukturen zusammensetzen und ganz unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Eine zugegeben stark vereinfachte Darstellung des so komplexen menschlichen Gehirns.

Der britische Psychiater Steve Peters nutzt dieses einfache Modell in seinem Bestseller "The Chimp Paradox", um verständlich zu erklären, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir unter Stress stehen, mit uns selbst ringen oder den Fokus mal wieder auf das Negative, statt auf das Positive richten.



Schimpanse
Der Schimpanse ist laut Psychiater Steve Peters ein entscheidender Faktor, um unseren Gedankenprozess zu verstehen. 

Das Schimpansen-Modell

Die für Peters´Modell relevanten Areale sind der präfrontale Kortex (das rationale Gehirn), der parietale Kortex (das automatische Gehirn) und das limbische System (das emotionale Gehirn). Peters gibt dem rationalem Gehirn das Gesicht des Menschen, der reflektiert und die Situation abwiegend reagiert, der Situationen auf gesunde und ausbalancierte Art und Weise einordnen und negative Erlebnisse effektiv und im Sinne der eigenen mentalen Hygiene einordnen kann.

Das automatische Gehirn benennt Peters als Computer. Hier werden Informationen und Erfahrungen abgespeichert, auf die sowohl der Mensch, als auch dessen Pendant- der Schimpanse- zugreifen und in ihrem Stil interpretieren und verarbeiten, um ein entsprechendes Verhalten abzuleiten.

Der Schimpanse steht, du kannst es dir bereits denken, symbolisch für das emotionale Gehirn. Er handelt impulsiv, bleibt stets wachsam und folgt instinktiven Mustern. Der Schimpanse steht also für ein primitives und unreflektiertes Denken.


Warum der Schimpanse so viel Macht über uns hat

Der springende Punkt? Der Schimpanse ist etwa viermal so stark und vor allem schneller als der Mensch. Zudem ist er darauf bedacht, potenzielle Gefahren so schnell wie möglich zu erkennen. Ein überlebenswichtiger Instinkt. Jede Bedrohung könnte tödlich sein. Vorsicht und Misstrauen sind essenzielle Eigenschaften des Schimpansen, wenn er ein langes Leben führen will.

Ein solcher Schimpanse sitzt nun also in unserem Gehirn, reagiert deutlich schneller wie der rational denkende Mensch und sieht Gefahren und negative Szenarien, wo sie im menschlichen Alltag nicht notwendig wären. Lautstark schaltet er sich ein, warnt misstrauisch vor potenziellen Missständen und Ungerechtigkeiten, schnappt sich gespeicherte Informationen und Erfahrungen und verarbeitet sie auf seine Weise – hoch emotional und meist irrational.

Unser innerer Schimpanse ist somit nicht darauf ausgelegt, die Welt objektiv oder gar wohlwollend zu betrachten. Sein Job ist es Gefahren zu erkennen, Risiken zu vermeiden und Bedrohungen zu bewerten. Kein Platz für rosarote Brillen, keine Zeit für optimistische Tagträume.

Das Ergebnis ist ein natürlicher Negativfokus. Unsere Gedanken scannen permanent nach Problemen, Unsicherheiten und möglichen Katastrophen. Was schiefgehen könnte, was andere von uns denken, was gestern nicht gut lief – all das hat oberste Priorität. Ein evolutionäres Feature, das in der Wildnis unser Leben rettete, im modernen Alltag aber vor allem eines bewirkt: Stress, Zweifel und eine verzerrte Wahrnehmung unserer Realität. Denn wer überall Gefahren sieht, beginnt irgendwann, in ihnen zu leben.



Frau lachen
Unsere körperliche Gesundheit profitiert stark, wenn es uns gelingt, weniger dem Gedankenkreisen zu verfallen.


Warum auch deine körperliche Gesundheit unter der Identifikation mit deinen negativen Gedanken leidet

Und auch deine mittelfristige körperliche Gesundheit wird durch den schimpansengesteuerten Negativfokus beeinträchtigt. Eine Studie von Moriarity und seinem Forschungsteam aus dem Jahr 2020 zeigt deutlich, dass das wiederholte Grübeln über ein vergangenes Ereignis oder eine bevorstehende Entscheidung die Entzündungswerte im Blut erhöht.

Wer sich in ähnlichen Situationen wiederfindet, über die zuvor nächtelang ergebnislos nachgedacht wurde, erlebt zudem einen verstärkten Stressreaktion.

Das Gedankenkarussell dreht sich weiter – und mit ihm steigt auch die körperliche Belastung.


Wie du Distanz zu deinen Gedanken aufbauen kannst

Das Kernproblem sollte nun klar sein: Die automatische Identifikation mit unseren Gedanken.

Ein Mechanismus, für den man sich selbst weder schuldig fühlen noch rechtfertigen muss – der aber bewusst und proaktiv hinterfragt werden kann.

Die simple Erkenntnis, dass in jedem (!) menschlichen Gehirn zuerst der emotionale und irrationale Part das Ruder übernimmt, sich lautstark austobt und erst dann der rationale, ausbalancierte Part zu Wort kommt, kann dir helfen, eine gesunde Distanz zu deinen Gedanken aufzubauen.

Darf ich vorstellen? Psychoedukation – und ihre Nützlichkeit in voller Pracht!

Von dieser soeben dazugewonnen Erkenntnis lässt sich nun weiter aufbauen:


  1. Pflege deinen Schimpansen

    Dein Schimpanse wird toben – das liegt in seiner Natur. Doch gegen ihn anzukämpfen oder ihn gar zu unterdrücken, ist wenig hilfreich. Im Gegenteil: Deine Ausgeglichenheit und Frustrationstoleranz leiden darunter nur noch mehr.

    Dabei ist er kein Feind, sondern vielmehr ein emotionaler Begleiter, der manchmal etwas an der Realität vorbeilebt. Und trotz seiner Tendenz zum Drama bringt er auch wertvolle Eigenschaften und Funktionen mit sich – etwa einen starken Schutzinstinkt, der uns in gefährlichen Situationen hilft, hohe Energie und Motivation, die uns zu Höchstleistungen anspornen, sowie eine tiefe Leidenschaft, die unser Leben lebendig und intensiv macht. Darüber hinaus fördert er Kreativität und Spontaneität und verteidigt unsere Werte mit Entschlossenheit.

    Gebe deinem Schimpansen Raum, um jegliche Irrationalität, Angst, Misstrauen und kontraproduktive Emotionalität auf den Verhandlungstisch zu pfeffern. Nach wenigen Minuten wird auch der lauteste Schimpanse sich beruhigen und der Mensch kann übernehmen und rational sowie bedacht die Situation neu bewerten.

    Nun meldet sich der Schimpanse nicht nur in offensichtlichen Stresssituationen – etwa bei einer bevorstehenden Deadline im Job oder wenn dir auf dem Heimweg die Vorfahrt genommen wird, sondern funkt auch gerne in unseren alltäglichen Gedankenstrudel hinein. Peters gibt hier einen wertvollen Tipp: Frage dich, ob du dich gerade so fühlen möchtest, wie du du dich fühlst. Wenn du dies verneinen kannst, ist höchstwahrscheinlich dein Schimpanse am Werk und du kannst dich von den kontraproduktiven Gedanken distanzieren oder diese ganz bewusst umlenken.


  2. Praktiziere Dankbarkeit

    Wenn du deine Gedanken bewusst auf etwas lenkst, wofür du dankbar bist – sei es die strahlende Sonne, deine Gesundheit oder ein bevorstehendes Treffen mit Freunden – kannst du dein Gedankenkarussell stoppen. Diese Praxis schult deinen Blick für die „kleinen“ Dinge im Leben und senkt gleichzeitig dein Stresslevel, besonders wenn du es schaffst, regelmäßig Dankbarkeit in deinen Alltag zu integrieren.


  3. Meditations- und Atemübungen

    Meditations- und Atemübungen fördern die Distanzierung von deiner Gedankenwelt, mal mehr, mal weniger direkt. Betrachte deine Gedanken wie vorbeiziehende Wolken, ohne sie zu bewerten, oder richte deine Aufmerksamkeit ganz auf deinen natürlichen Atemfluss. So kannst du die innere Ruhe erleben, die entsteht – ein super Training, um dich von deinen Gedanken zu lösen und dich nicht mit ihnen zu identifizieren.


  4. Positive Selbstgespräche

    Achte auf deine innere Sprache und ersetze negative oder kritische Gedanken durch positive, unterstützende Aussagen. Anstatt dich für einen Fehler zu verurteilen, kannst du dich selbst ermutigen, etwas Neues zu lernen. Sprich mit deinem Schimpansen – erkenne seine Emotionen an und biete ihm Mitgefühl, statt gegen ihn anzukämpfen. Indem du bewusst freundlich und verständnisvoll mit dir selbst sprichst, förderst du dein Selbstvertrauen und deine Resilienz in herausfordernden Situationen.


  5. Schreibe deine Gedanken auf

    Deine Gedanken aufzuschreiben hilft dabei, deinen Schimpansen ruhig zu stellen. Du verhinderst, dass das Gedankenkarussell auf Hochtouren dreht, schließt mit deinen Gedanken ab und schaffst es so den Kopf freizumachen, um dich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.


  6. Sei nicht zu streng mit dir

    Unsere Gedankenwelt und unser Verhalten sind äußerst komplex. Viele Wissenschaftler versuchen, diese Komplexität zu verstehen, wissen jedoch, dass sie niemals alles vollkommen begreifen können. Wir sind vielen Einflüssen ausgesetzt – sei es durch unsere biologischen Bedürfnisse, die uns zu bestimmten Verhaltensweisen anregen, durch die Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, oder durch die Erfahrungen und Erwartungen aus unserem sozialen Umfeld, die unsere Handlungen prägen. Es ist völlig normal, sich hin und wieder in seinen Gedanken zu verlieren und sich selbst das Leben schwer zu machen, auch wenn es nicht dem eigenen Bild entspricht. Sei nicht zu streng mit dir und akzeptiere, dass du menschlich bist. Diese Momente gehören zum Prozess des Wachstums und bieten dir die Gelegenheit, daraus neue Erkenntnisse zu gewinnen.



    glücklicher Mann
    Wenn wir es schaffen, uns von kontraproduktiven Gedanken zu lösen, können wir uns gezielter mit unserem angestrebten Selbstbild befassen und ein erfüllteres Leben führen.

Du bist nicht deine Gedanken

Die wichtigste Erkenntnis dieses Blogs nochmal hervorgehoben: Du bist nicht deine Gedanken.

Ein erster wichtiger Schritt, sich von negativen Gedanken zu lösen, ist das Verständnis des natürlichen Reaktionsprozesses, bei dem zunächst der „Schimpanse“ in uns aktiv wird. Dieser Teil ist darauf ausgerichtet, Gefahren und Ungerechtigkeiten zu erkennen. Wenn wir uns nicht bewusst sind, dass unser Gehirn in solchen Momenten auf das Negative fokussiert, könnten wir Entscheidungen treffen und handeln, basierend auf dieser Schimpansenreaktion. Dadurch verlieren wir den Kontakt zu unserem eigentlichen Selbstbild und identifizieren uns mit dem primitiven, auf Überleben fokussierten Teil unseres Gehirns und den hieraus entspringenden Gedanken.


Wenn du mehr über dieses Thema erfahren möchtest und wissen willst, wie du deine Gedanken bewusst lenken kannst, um dich von negativen Denkmustern zu befreien, höre dir unbedingt meine Podcastfolge mit den Mädels von Blonde & Balanced an: „Deine Gedanken können dein größtes Hindernis sein. So befreist du dich“. Wir gehen in der Folge darauf ein, wie du deine Gedanken besser verstehen und aktiv verändern kannst, um mehr Klarheit und Leichtigkeit in dein Leben zu bringen.


Falls du darüber hinaus Unterstützung auf deinem Weg zu mehr mentaler Stärke und innerer Ruhe suchst, lade ich dich herzlich zu einem Kennenlerngespräch ein. In einer psychologischen Beratung können wir gemeinsam herausfinden, welche individuellen Strategien dir helfen, deine Denkmuster zu transformieren und deine Ziele zu erreichen. Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen und mit dir zusammen an deinem persönlichen Wachstum zu arbeiten!








 
 
 

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Alexander Bravos – Psychologische Beratung
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© 2025 Alexander Bravos | Psychologische Beratung

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Ich bin Psychologe (M.Sc.), jedoch kein approbierter Psychotherapeut.

Meine Leistungen umfassen psychologische Beratung und Coaching,

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